****** Zu Beginn der 70er Jahre war Elton John einer der fleißigsten Musiker in der internationalen Rockszene. Das Ende 1971 erschienene Madman Across The Water war sein sechstes Werk (wenn man den Soundtrack Friends hinzurechnet) seit 1969! Die Vielzahl der Veröffentlichungen schadeten der Qualität seiner Scheiben nicht. Ganz im Gegenteil, von Album zu Album wurde er immer besser. Seine überschäumende Kreativität gipfelte in Madman Across The Water in einem echten Meisterwerk, m.E. neben Goodbye Yellow Brick Road von 1973 sein bestes, reifstes und schönstes Werk. Und das erfreulichste war, daß er inzwischen auch den kommerziellen Durchbruch geschafft hatte. Nach dem Achtungserfolg des hinreißenden Border Song im Jahre 1970, schaffte er Anfang 1971 mit dem hinreißenden Your Song seinen ersten Top 10 Hit. Mit Madman Across The Water schöpfte er musikalisch und künstlerisch aus den Vollen und legte sich den Grundstein zu dem, was ihn ab 1972 zum Superstar machen sollte. Gleich mit dem ersten Stück, der Ballade Tiny Dancer setzt er ein Ausrufezeichen. Hier ist alles, aber auch wirklich alles drin, was einen typischen Elton John Song ausmacht: Eine im ersten Moment unspektakulär wirkende Melodie (in diesem Fall garniert mit kleinen C&W Elementen), die aber dank der schönen Melodie, des feinen Arrangement und Eltons angenehmer Stimme sich in den Gehörgängen festsetzt. Als zweite Singleauskopplung war Tiny Dancer im Frühjahr 1972 ein mittelprächtiger Hit in den USA (eine Top 10 Plazierung wäre eigentlich angemessen gewesen). Die erste Singleauskopplung war Stück Nummer 2, das leicht Gospel-beeinflußte Levon. Levon beginnt recht verhalten, steigert sich aber nach und nach dank eines üppigen Orchesterarrangement. Eigentlich ist Levon kein Stück für die Hitparaden, konnte sich aber zur Jahreswende 1971/72 bis in die amerikanischen Top 30 vorkämpfen. Interessant, wenn auch nicht so eingängig ist das etwas verschrobene Razor Face, mit den Gastmusikern Rick Wakeman an der Orgel und Jack Emblow am Akkordeon. Grandios ist das Titelstück Madman Across The Water mit den Gastmusikern Rick Wakeman (Orgel), Chris Spedding (Gitarre) und Diana Lewis (Synthesizer). Eltons Klavierspiel und die Orchesterarrangements verleihen dem Stück eine einzigartige, fast dramatische Atmosphäre. Ein echtes Glanzstück im Elton John Gesamtwerk ist m.E. Indian Sunset, mit streckenweisen dramatisch anmutenden Orchesterpassagen. Im Vergleich dazu kommt das folk-beeinflußte Holiday Inn fast schlicht daher. Das Stück klingt fast wie eine gute Rod Stewart Nummer jener Zeit (z.B. Maggie May oder You Wear It Well). Besondern schön an Holiday Inn ist das Mandolinenspiel von Davey Johnson. Nicht ganz so mitreißend klingt Rotten Peaches, weiß aber dennoch auf der ganzen Linie zu überzeugen. Im Stil von Tiny Dancer und Levon ist All The Nasties gehalten, untersetzt mit teilweise mächtigen Chorgesängen. Das dramatisch anmutende Goodbye bildet den Abschluß eines überragenden Albums. Interessant an Mad Man Across The Water ist, daß es sein ruhigstes, fast ernsthaftestes Werk ist. Während er auf seinen übrigen Alben immer eine ausgewogene Mischung auf flotten Nummern und Balladen bot, sind auf Madman Across The Water überwiegend getragene Lieder zu hören, die wunderbar, teilweise grandios arrangiert sind. Über Elton und seinen Musikern brauche ich kein weiteres Wort zu verlieren, die Klasse ihrer musikalischen Arbeit ist mehr als eindrucksvoll und spricht für sich. Wer gute Musik für die besinnlichen Momente des Lebens braucht, der sollte sich unbedingt dieses Juwel zulegen. |